Dr. Markus Merk in der Zukunftswerkstatt
Als Schiedsrichter musste er in Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen und wurde dabei von Millionen Menschen beobachtet, überwacht und beurteilt. Der Winterbacher BDS hatte sich mit Markus Merk also den ultimativen Experten zum Thema „Sicher Entscheiden“ zu seiner Zukunftswerkstatt eingeladen. Interessant war dabei zu hören: So sicher war sich Merk gar nicht immer bei seinen Pfiffen.
Angesichts der Aufstellung in der Winterbacher Lehenbachhalle sprach Markus Merk zu Beginn von einer „riesigen Herausforderung“: Er stand im Zentrum einer Arena, um die sich kreisförmig die Zuhörerreihen gruppierten. In Wirklichkeit dürfte er sich in dieser Situation wohlgefühlt haben, stand er doch in seiner Laufbahn als Schiedsrichter in den Arenen dieser Welt oft im Mittelpunkt, ja im Auge des Sturms, wenn sich die Emotionen von Spielern und Zuschauern entluden und er seine Entscheidung ruhig und unbewegt vertreten musste.
Dabei offenbarte Markus Merk in Winterbach das eine oder andere überraschende Geheimnis. Auf den Bildschirmen, die an einem Gerüst über der Arena in der Lehenbachhalle hingen, zeigte Merk die eine oder andere Spielszene. Auf einem Bild ist er weit außerhalb des Strafraums zu sehen, der vollgepackt ist mit Spielern. Eine Szene, in der er einen Eckball gab, aus dem ein Tor folgte. „Glauben Sie wirklich, ich könnte da irgendwas gut sehen?“ fragte er seine Zuhörer. Nein, solche Entscheidungen treffe er mit einer guten „Umfeldbeobachtung“: Wie reagieren die Spieler? Das sei in jedem Spiel passiert, dass er eine Szene nicht richtig sehen konnte. Aber: „Von zehn Entscheidungen waren immer acht oder neun richtig, ohne es gesehen zu haben.“
Fehlentscheidungen gehören zum Leben dazu
Überraschende Einblicke eines Mannes, von dem als Schiedsrichter stets verlangt wurde, sichere Entscheidungen zu treffen. Heute, nach seiner Karriere hält Markus Merk Vorträge wie den in Winterbach. Als seine „energiereichste Entscheidung“ bezeichnet Merk die, seine Schiedsrichter-Laufbahn zu beenden, obwohl er altersmäßig 2008 noch etwas länger hätte in der Bundesliga pfeifen können.
Eine seiner wichtigsten Botschaften war: Immer nur richtige Entscheidungen treffen – das geht gar nicht. Fehlentscheidungen passieren auf dem Fußballplatz wie im Leben immer. „Sicher entscheiden, das heißt nicht, sich partout immer richtig zu entscheiden“, so Merk. Man müsse aber immer wieder bereit sein, Fehler zu analysieren und an den Ursachen zu arbeiten.
Mit allgemeingültigen Tipps tue er sich schwer, bekannte Merk. Einen einfachen Leitfaden hatte der Weltschiedsrichter nicht dabei, wie man besser durch all die großen und kleinen Lebensentscheidungen kommt. Aber einige Erfolgsrezepte zeigte er seinen Zuhörern in Winterbach, darunter viele Unternehmer und Geschäftsleute. Einer davon: Nicht übereilt entscheiden, aber schnell. Eine schnelle Entscheidung wirke souverän und überzeugend.
Ist eine Bauchentscheidung besser oder eine Kopfentscheidung? Da wolle er sich nicht auf eine Variante festlegen: „Es ist immer eine Kombination.“ Erfahrung spiele eine große Rolle. Er habe als Schiedsrichter irgendwann eine „Festplatte“ gehabt, von der er Dinge abrufen konnte. Immer wieder sei er selbst erschrocken gewesen, wenn scheinbar ohne sein Zutun ein Pfiff ertönte. Meist sei der schnelle Pfiff, den er quasi instinktiv von sich gab, aber richtig gewesen. Davon abgesehen müsse man immer wieder bereit sein, Fehler zu analysieren und an den Ursachen zu arbeiten.
So empfiehlt auch Merk den Entscheidern in den Unternehmen: Haben sie einmal die Entscheidung getroffen, dann muss diese felsenfest stehen und konsequent vertreten und umgesetzt werden. Andererseits gehört es für Merk auch zu einem souveränen Entscheider, eine Fehlentscheidung zu erkennen und zu revidieren.
Figo brauchte einen Psychologen
Ein guter Entscheider ist dabei für Merk auch ein guter Psychologe. Zu einer guten Entscheidung gehöre auch die passende Kommunikation derselben, damit sie akzeptiert werde. Dazu beobachtete er seine „Kunden“, die Spieler, um für jeden den richtigen Umgang, den richtigen Ton zu finden. Im Falle Merks waren das auch mal Typen wie der portugiesische Superstar Luis Figo. „Eine richtig harte Nuss“, einer der ständig dabei gewesen sei, „die Eskalationsstufe nach oben zu treiben“. Bei ihm habe nur eine Strategie geholfen: „Keine Kommunikation: Nicht anschauen, nicht ansprechen, keine Handbewegung in seine Richtung.“ Zur Erheiterung seiner Zuhörer in Winterbach erzählte Merk: Mit Luis Figo auf dem Feld, habe er nach jedem Pfiff versucht, zügig vom Ball wegzukommen. Denn er habe gewusst: „Der schöne Herr Figo läuft keinen einzigen Meter zu viel.“ Bis Figo eines Tages im Rahmen eines Spiels auf ihn zugekommen sei und höflich gesagt habe: „Herr Merk, darf ich mit Ihnen auch mal reden?“ Merk hatte gewonnen.
Aus der Arena in Winterbach musste der Weltschiedsrichter nicht schnell verschwinden, die hatte er spielend im Griff. Am Ende seines Vortrags applaudierten seine Zuhörer im Stehen – und Markus Merk zückte die Pfeife und pfiff lächelnd ab.